Reinhard Mey
Paradies
Morgennebel schwebt in feinen Schleiern im Scheinwerferlicht
Das sich in sprühenden Tröpfchen wie in Katzenaugen bricht
Rauhreif überzieht das Gras am Straßenrand, die Nacht war kalt
Reifenspuren von den Feldern, sand‘ge Muster im Asphalt
Und im Morgenhauch die Ahnung, daß ein Erntefeuer schwelt -
Nichts mehr, das ich jetzt noch brauche, da ist nichts mehr, das mir fehlt

Paradies!
Hier ist das Paradies!
Ich brauch nicht mehr weiterzugehn
Ich hab‘s mit eignen Augen gesehn
Auf dem Ortsschild steht:
Hier ist das Paradies!

Alte Häuser tauchen aus der Dämmrung auf, geduckt und grau
Was drängte mich von hier fortzugehn, ich weiß es nicht genau
War‘s ein Kummer oder Schmerz, hat mich ein Mißerfolg gekränkt?
Haben mich Geborgenheit und Überschaubarkeit beengt?
Etwas bessres als den Tod - so sagt man - findst du allemal!
Und vielleicht war das Gras wirklich grüner - im nächsten Tal?

Paradies! ...

Ausgeblich‘ne Ziegeldächer, Fenster müde und verhärmt
Frösteln bis ins Herz und zugleich dies Glücksgefühl, das mich wärmt
Nur, um das zu finden, weiß ich heut, hab ich mich aufgemacht
Hat mich eine tiefe, dunkle Sehnsucht doch ans Ziel gebracht
Mußt‘ ich mein Kap Horn umsegeln und meine Wüsten durchquer‘n:
Ich bin den weiten Weg gegangen, nur um endlich heimzukehr‘n!
Paradies! ...