Reinhard Mey
Und nun fängt alles das noch mal von vorne an
Du kommst aus der Schule nach Haus'
Und ganz genauso sah ich aus
Wenn ich ganz schlechte Karten hatte!
Du druckst rum, und du windest dich –
Wenn ich so durch die Gegend schlich
Dann war das meistens wegen Mathe!
Natürlich ist mir das nicht recht
Nur andrerseits steht es mir schlecht
Zu zetern, hab' ich denn vergessen
Was ich für Noten heimgebracht
Und Strafarbeiten ich gemacht
Hab', und was hab' ich nachgesessen?
Und nun fängt alles das noch mal von vorne an –
Ich will dir helfen, wenn ich kann!
Du schreibst, ich seh' dir wortlos zu –
Ich saß dort, ganz genau wie du
Und musste mich genauso quälen!
Es ist noch gar nicht so lang' her
Da fiel es mir genauso schwer
Drei und vier zusammenzuzählen!
"Schlaf nicht ein, streng dich doch mal an!"
Ich hör' mich selbst und denk' daran:
Was macht es schon in einem Leben
Ob man "Vater" mit zwei "t" schreibt
Bei zehn durch zwei was übrigbleibt
Und wieviel zwei mal vier ergeben?
Und nun fängt alles das noch mal von vorne an –
Ich will dir helfen, wenn ich kann!
Ich kenne diesen fernen Blick
Das stille Gähnen, jeden Trick
Hellwach und strebsam auszusehen
Und dabei, in Gedanken weit
Fort, auf den Traumflügeln der Zeit
Manch' Abenteuer zu bestehen!
"Sag mal, wo bist du eigentlich?
Hör auf zu träumen!", das sag' ich
Der schlief bis zum Pausengeläute!
Hatt' ich die schönsten Träume nicht
Immer im Englischunterricht –
Sind sie nicht all mein Reichtum heute?
Und nun fängt alles das noch mal von vorne an –
Ich will dir helfen, wenn ich kann!
Es ist, als würd' ich draußen steh'n
Uns beide durch ein Fenster seh'n
Hör' meine Stimme aus der Ferne
Als ob ich selbst zur Schule geh'
Und noch einmal das ABC
Das "Einmaleins" mühevoll lerne
Und ich seh' mich beim Bleistiftkau'n
Abwesend aus dem Fenster schau'n!
Von nun an kenn' ich beide Seiten –
Ich würde gern auf deiner steh'n
Alles nicht so verkniffen seh'n
Und dich ein Stück des Wegs begleiten!
Und nun fängt alles das noch mal von vorne an –
Ich will dir helfen, wenn ich kann!